Newsletter | 04/19 |
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touché.ch - der NewsletterIn unserem Newsletter werden wir Sie jeweils zeitnah über Themen und Entwicklungen aus unserer Beratung und darüber hinaus informieren.
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Das Versagen der Justiz - wirtschaftlich abhängige IV-GutachterSind IV-Gutachter, die von der IV ausgewählt und bezahlt werden, neutral und unabhängig?Schildern Sie einer x-beliebigen Person, am besten einer ohne juristischen Hintergrund, wie das Abklärungsverfahren bei der IV abläuft und insbesondere, dass die Gutachter von der IV ausgewählt und bezahlt werden. Fragen Sie die Person dann, ob sie das derzeitige IV-Abklärungsverfahren als fair empfindet. Egal ob es Betroffene, Klienten, Passanten, Familienangehörige, Lehrlinge, Menschen mit oder ohne Ausbildung, Alte oder Junge sind: Mir persönlich ist noch nie eine Person begegnet, die diese Frage bejaht hätte. Im Gegenteil kommt die Antwort meist wie aus er Kanone geschossen: „Die sind doch nicht neutral!“ Unsere Justiz sieht dies allerdings anders. Spätestens seit dem von Bundesrichter Ulrich Meyer als „Meilenstein“ bezeichneten Bundesgerichtsurteil (BGE 137 V 210, das sogenannte „MEDAS Urteil“) wurde der Missstand der wirtschaftlich abhängigen und einseitig ausgewählten IV-Gutachter gehäuft und gebetsmühlenartig, immer und immer wieder von versicherten Personen und ihren Rechtsvertretern vor den kantonalen Versicherungsgerichten und vor dem Bundesgericht in Luzern gerügt. Engagierte Ärzte, Behindertenverbände und kritische Medien brachten das Thema regelmässig aufs Tapet und kritisierten das IV-Abklärungsverfahren mit deutlichen Worten. Passiert ist nichts. Das Bundesgericht und mit ihm die kantonalen Versicherungsgerichte verschliessen Augen und Ohren und scheinen sich nicht darum zu scheren, dass die IV-Stellen systematisch die bundesgerichtlichen Vorgaben ignorieren. Denn ursprünglich hatte das Bundesgericht in ebendiesem MEDAS-Urteil die Problematik erkannt und entschieden, dass es eine gegenseitige Verpflichtung der versicherte Person und der IV-Stelle gäbe, sich auf einen Gutachter zu einigen, weil eine immanente Gefahr der einseitigen Gutachterauswahl bestehe. Zwar kann nach BGE 137 V 210 bei Nichteinigung der Gerichtsweg bestritten werden. Es existiert aber bis heute kein einziges (rechtskräftiges) Urteil, in welchem je ein Gericht einen Gutachter wegen Befangenheit, Nichteignung oder aus sonstigen Gründen vor der Auftragserteilung abgelehnt hätte. Die in BGE 137 V 210 installierten Verfahrensrechte sind reine Papiertiger. Stattdessen hält das Bundesgericht immer noch an der realitätsfremden Fiktion fest, wonach es sich bei der IV um eine zur Neutralität und Objektivität verpflichtete Behörde handelt, weshalb es auch kein Problem sei, dass diese die Gutachter auswählt und gleichzeitig bezahlt. Nun mag es in der juristischen Theorie so sein, dass die Verwaltung grundsätzlich neutral ist. Vielleicht trifft dies in der Realität sogar auf vereinzelte Behörden wie das Amt für Denkmalschutz oder das Erbschaftsamt zu. Jedoch anzunehmen, die unter massivem Spardruck stehende IV sei gleichermassen neutral und hätte nicht ein grosses Interesse daran, ihre Ausgaben zu senken, ist schlicht und einfach blauäugig. Wenn zutrifft, was der Sonntagsblick [1] aufgedeckt hat, das tatsächlich 10% der mono- und bidisziplinären Gutachter 73% sämtlicher Vergütungen erhalten – insgesamt rund 30 Millionen Franken pro Jahr – und sich weiter feststellen lässt, dass genau jene Gutachter besonders streng oder einseitig sind, dann haben sich die schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Dieser Missstand ist nun endlich zu korrigieren. Ideen gibt es genug [2]. Wenn es das Bundesgericht nicht richtet, dann müssen das eidgenössische Parlament – welches erste Schritte in Angriff genommen hat [3] - oder der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg sich endlich dieser Thematik annehmen. Es ist kaum anzunehmen, dass Strassburg das derzeitige IV-Abklärungsverfahren aufgrund der massiven wirtschaftlichen Abhängigkeiten einzelner Gutachter noch als vereinbar mit Art. 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) beurteilen wird. Nur wenn das IV-Abklärungsverfahren fair ist, ist auch ein faires Resultat zu erwarten, welches dann von der versicherten Person auch eher akzeptiert werden kann. [1] https://www.blick.ch/news/schweiz/gutachter-werden-vergoldet-dank-iv-aerzte-scheffeln-millionen-id15608481.html [2] Paritätische Auswahl von zwei Gutachtern, staatlich finanzierte MEDAS-Stellen, angebunden an Universitäten, Verpflichtung der Ärzteschaft mind. 2 Gutachten pro Jahr zu machen, Begrenzung der Anzahl Gutachten pro Gutachter pro Jahr, Losverfahren auch für mono- und bidisziplinäre Gutachten, etc. [3] Vgl. Vorschläge der Gesundheitskommissionen des Nationalrates und des Ständerates betreffend Aufzeichnung des Begutachtungsgesprächs und Erhebung einer Gutachtensstatistik. |
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Selbsthilfegruppen - die eigene Stärke erfahrenWir möchten gerne wieder einmal darauf hinweisen, dass für viele Betroffene der Austausch in einer Selbsthilfegruppe eine grosse Unterstützung sein kann.Selbsthilfe ist sehr vielseitig und kann unterschiedlich aussehen: Alle Selbsthilfeprojekte haben aber eines gemeinsam: Menschen mit denselben oder ähnlichen Problemen, einem gemeinsamen Anliegen oder in einer gleichen Lebenssituation schliessen sich zusammen, um sich gegenseitig zu helfen. Direkt Betroffene erleben in der Selbsthilfe nicht nur Hilfe und Solidarität, sondern übernehmen auch Selbstverantwortung. Selbsthilfe ist eine wichtige Säule unseres Gesundheits- und Sozialwesens. Warum wirkt Selbsthilfe eigentlich? Betroffene können sich mit Personen austauschen, die unter den gleichen Problemen leiden. Sie erleben so nicht nur das Gefühl verstanden zu werden, sie helfen sich auch gegenseitig mit praktischen Tipps und aufmunternden Worten. Aktiv in der Selbsthilfe zu sein, bedeutet also, Teil einer Gemeinschaft zu werden. Selbsthilfegruppen leisten eine wichtige, oft auch präventive Arbeit. Die am häufigsten geäusserte Befürchtung, wenn Menschen zum ersten Mal zu einer Selbsthilfegruppe stossen, ist, dass dies ein Jammerclub sei. Gleichzeitig ist es das am häufigsten widerlegte Vorurteil, wenn Gruppenmitglieder später von ihren Erfahrungen in der Gruppe erzählen. Das gelegentliche Jammern-Dürfen kann auch entlastend sein. Denn, wie fühlte es sich an, als das letzte Mal jemand sagte «ich weiss, was du meinst» oder «so geht es mir auch». In solchen Situationen kann viel Energie für positive Veränderungen frei gesetzt werden. Menschen erfahren: Hier gibt es eine Gruppe von Menschen, die meine Probleme versteht, der ich bisher Unausgesprochenes anvertrauen kann, wo ich mich nicht alleine fühlen muss, wenn mein Leben Kopf steht. Hier finde ich Mut und Kraft, Antworten und auch Gleichgesinnte.- Das Wissen, dass ich nicht der Einzige bin, der sich mit derartigen Problemen herumschlagen muss gibt mir Kraft. Ich erfahre, dass es verschiedenste Krankheitsformen und Behandlungsmethoden gibt. Ich fühle mich mit den anderen Gruppenmitgliedern im selben Boot. Es ist ein Ort, wo ich sehr offen über Fragen und Probleme diskutieren kann. Ich erfahre sehr viel Verständnis und Mitgefühl. Dabei fühle ich mich nicht mehr so allein mit meinen Sorgen. Unsere Treffen motivieren mich, mir selbst zu helfen, aktiv zu werden. Manche Selbsthilfegruppen erleben ein Auf und Ab bei den Mitgliederzahlen. Immer wieder entstehen neue Gruppen oder lösen sich Gruppen auch mal auf. Viele Selbsthilfezentren bieten Gruppen zu den Themen chronische Schmerzen, chronische rheumatische Erkrankungen, Fibromyalgie etc. an. Informieren Sie sich bei Interesse direkt in Ihrer Region oder über unser Beratungstelefon Kontaktadressen (Auswahl): Selbsthilfe Bern: www.selbsthilfe-be.ch Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen St. Gallen: selbsthilfe@fzsg.ch Selbsthilfezentrum Zürcher Oberland: www.selbsthilfezentrum-zo.ch Selbsthilfe Schweiz: https://www.selbsthilfeschweiz.ch (Suche nach Region möglich) |
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in eigener Sache - sinnvoll spendenIn diesen Tagen werden unsere Briefkästen ob physisch oder elektronisch überschwemmt von Spendenaufrufen für alle möglichen Projekte.Auch touché.ch kann die Dienste der Geschäftstelle und die Beratungen nur mit Ihrer Unterstützung anbieten. Ihre Spende ermöglicht, dass wir Betroffene ganz direkt unterstützen und unsere Informationsaufgaben wahrnehmen können. Herzlichen Dank, wenn Sie mit Ihrer Spende unseren Auftragunterstützen. Ihr Beitrag ist wichtig und wertvoll! Kontoverbindung: touché.ch - der Schmerzverband Postfinance Konto 80-11032-5 IBAN: CH24 0900 00000 8001 1032 5 ![]() |
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